Nur eine Nacht

Ausgerechnet dieser Ort. Das Hotel direkt am Meer, das Zimmer weit hoch über den Dünen, der Seminarraum mit Blick auf den Strand. Immer noch der gleiche Wind, immer noch der türmende Sand vor der brausenden Brandung. Kann mich nicht konzentrieren, Unruhe frißt, die Gedanken immer wieder bei jenem Tag.

Es war so wunderschön warm. Sanft streichelte mir der Wind dort oben hoch auf der Düne über die Haut, der ständige Wellenschlag wie ein nie endendes Konzert und der Blick wanderte hinaus über das Wasser zum Horizont, segelte mit den Gedanken hinaus in ferne Welten, ließ mich träumen von Wünschen, Glück und Begehren. Ich hörte dich nicht kommen, warst plötzlich einfach da, erzähltest von diesem Platz, von deinem Ort, von dem schönsten Punkt der Welt. Wir wurden Freundinnen in Sekunden, unternahmen in Gedanken gemeinsame Reisen dort zum Horizont weit über dem Meer. Gemeinsam barfuß durch den Sand, hinein in die kleinen Wellen, tobten mit deinem Hund, spielten im Wasser, lachten, redeten, kamen einander immer näher.

Es war viel zu spät. Kein Zug brachte mich von dem Ausflug mehr nach Haus - wir saßen noch immer dort droben auf der Düne und bestaunten beide still schweigend das Schauspiel der untergehenden Sonne tief im Horizont auf dem weiten Meer. Gleißendes Licht in warmen Farben, die Wellen tanzten in eigenen Funken, Momente für die Ewigkeit, die nur der erkennt, der sie verstehen kann. Ich fühlte deine Hand, hörte wie du mich batest zu bleiben, zu bleiben diese Nacht im Hause da drüben.

Wir schlichen hinein, an deinen Eltern vorbei, verstecktest mich in deinem Zimmer, holtest Essen, hörten Musik, lagen einfach nur auf dem Bett und redeten. Alle lernte ich in Beschreibungen kennen, deine Eltern, deine Freundinnen, deine Freunde. Und wir sahen uns an, immerfort an. Du warst so wunderschön, deine hellen, immerzu strahlenden Augen, die feine, elegant geschwungene Nase, der sanfte Mund. Berührten uns mit einer Hand, tasteten, streichelten, wandernd überall, du an meinem Busen, Bauch bis zum Po und zurück, ich an deinem Busen, Bauch bis zum Po und zurück.

Eine endlose Nacht, voller naher Träume, brodelndem Begehren, tobenden Gefühlen. Du warst ich, ich war du. Beide ahnend, dass nur diese eine Nacht uns würde binden, kein Gedanke an morgen, nur hier und jetzt.

Eng umschlungen schlaflos bei Sonnenaufgang, deine Hand auf meinem Schoß, meine Hand auf deinem Schoß. Es klopfte an der Tür, deine Mutter mahnte dich schon zur Arbeit - in diesem Augenblick explodierten wir. Der erste Kuß, wild, wilder, immer wilder, Hände überall, drängend, fordernd. In Sekunden schoß ich aus dieser Welt, trieb weit hinaus in Wellen, kam und kam und kam immerzu. Spürte dich, hörte dein Stöhnen, wusste dich neben mir beim Ritt über die Wellen, waren endlich gemeinsam dort hinten am weiten Horizont über dem Meer.

Ich habe dich an diesem Tag verloren. Nie wieder getroffen, nie wieder geredet, wir hatten gewusst, es ist nur diese eine Nacht. Und dann dieses Hotel, das Zimmer weit hoch über den Dünen, der Seminarraum mit Blick auf den Strand, an dem wir tobten mit deinem Hund, lachten und redeten. Ich will dich wiedersehen. Muss dich wiedersehen.

Vor der Abreise nicht einfach fort, fahre hinaus zu dem Haus, in dem wir gemeinsam explodierten. Fast alles noch wie damals, die bunten Fensterläden, der herrliche Garten, das frische Weiß der Fassaden. Und dort stehst plötzlich Du, sehe dich im Fenster, erwachsen, doch so schön wie an jenem Tag. Deine Augen so hell, so strahlend, die feine, elegante Nase, der weiche Mund. Du eilst hin und her, Kinder rechts und links, du lachst, du neckst, du spielst mit ihnen, höre die Stimme eines Mannes, sanft und ruhig.
In diesem Fenster sehe ich das Glück lebendig sein. Spüre den Frieden, die Geborgenheit.

Ich störe. Ich würde stören. Nein, ich werde nicht stören.

Noch einmal durch das Fenster deine hellen, strahlenden Augen, dein Mund, den ich geküßt, als wir explodierten - es war unsere Nacht, nur eine, aber eine für die Ewigkeit. Ich gehe unentdeckt, fahre fort, fahre heim den weiten Weg nach Haus.

Fahre instinktiv, die Gedanken immer in jener Nacht, wandern zu dem Glück in deinem Heim, dort hinter den Fenstern bei den spielenden Kindern.

Das Handy klingelt, du bist es, du mein Schatz, bitte sage was, irgendwas, muss wieder zurück in die gewohnte Welt. Weihnachten, du hast etwas zu Weihnachten für mich, glaubst, würde es nie erraten. Wir spielen das alten Spiel. Raten und Necken und dann sagst du, ich hätte dazu einen Wunsch frei. Einen, einen einzigen.

Meine Gedanken sind dort draussen vor dem Fenster. Höre die lachenden Kinder, sehe das Spiel inmitten der kleinen Familie.

Schatz,
ja, einen Wunsch, den habe ich.
Aber den errätst du nie.


Liebe Grüße von
Laureen

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